Coronasemester. Ein Name der uns schon seit Beginn begleitet. Ganz offiziell auf dem Internetportal der Uni. Ganz sicher ein Punkt den ich oder meine Kommilitonen niemals vergessen werden.
Es war aber nicht irgendein Semester, sondern das Erste. Meinen aller ersten Tag an der Uni hab ich mir ein wenig anders vorgestellt, weniger in meinem Zimmer. Aber Campusführung und Erstiwochen sollten nur in Fachschaftsflyer löblich angepriesen werden, um dann abgesagt zu werden. Ganz tolle Sache. Genau darauf hab ich 5 Jahre gewartet.
Erster Unitag, zwei Wochen später als gedacht, am heimischen Schreibtisch, aber immerhin gibt’s Zuhause guten Kaffee. Immer schön positiv bleiben! Letztendlich kann ich ja jetzt Medizin studieren, und das ist ja hier das Wichtigste.
Uns wird ein ganz vielversprechender 3-Stufenplan vorgestellt, mit ein bisschen Hoffnung die Uni dieses Semester auch nochmal von Innen zu sehen.
Spoiler: Hab ich nicht, mal abgesehen von den Klausuren.
Anfangen wird mit einer Orientierungsphase, die ich auch ganz dringend brauch. Ich kannte zwar meinen Stundenplan, aber hatte sonst keinen Plan. Den hat verständlicherweise gerade niemand. Also heilloses Chaos. Keiner hat ‘ne Ahnung was wir tun müssen oder was möglich ist. Immer schön ruhig bleiben! Das ist eine Ausnahmesituation und jeder muss sich erstmal einfinden.
Die ersten Wochen waren wirklich grauenvoll und ich wusste nicht mal was ich auf meine ToDo-Liste hätte schreiben können.
Unsere WhatsApp Gruppe eskalierte regelmäßig, weil jeder von uns Informationen wollte und brauchte, die aber noch keiner hatte. Weder Dozenten, noch Uni, oder sonst wer.
Alles war komplett online, das war Fluch und Segen zugleich.
Okay die Orientierungszeit hatte nichts mit Segen zu tun. Man lernt niemanden kennen, mit dem der überlebenswichtigen Austausch stattfindet. Ich hatte viel Glück und das hatte leider nicht jeder in meinem Semester. Irgendjemanden braucht man einfach, um die kleinen Ungereimtheiten die eine Uni so inne hat zu entschlüsseln und Infos und Hilfsmittel zur richtigen Zeit zu bekommen. Klar, nichts wildes, aber manchmal muss man einfach kurz drüber quatschen.
Irgendwann gab’s aber einen Rhythmus, also ich hab einen für mich gefunden. Ich hatte ein Gefühl dafür entwickelt wie lange ich für Vor- und Nachbereitung und Durchführung des Bio- und Physikpraktikums brauchte, wie ich Vorlesungen in Chemie, Terminologie, PsychSoz und Anatomie bearbeite und was meine wöchentlichen Abgaben waren. Und ich habe ein wenig Austausch mit Kommilitonen ergattert (rares Gut, in diesem Semester…), zum Abgleich was wir da eigentlich tun und ob wir das mit dem Studieren auch ähnlich verstanden haben. Also der ganz normale Wahnsinn.
Die ganzen Vorlesungen, hochgeladen, zum gucken wann ich es einrichten kann, würde ich gern so beibehalten. Die meisten Fächer haben es gut geregelt, im leeren Hörsaal gefilmt oder eine Tonspur unter die Folien gelegt wurde. Natürlich auch hier kein Austausch, aber ich konnte wann immer ich es brauchte das Video stoppen, zurückspulen oder schneller stellen. Und wenn Fragen nicht geklärt wurden, gab’s zumindest eine Plattform um diese zu stellen. Nicht ideal, aber gut machbar und trotzdem lehrreich.
Dahingegen waren die Praktika für mich auf jeden Fall der negative Teil des Onlinekontent. In Physik hab ich Strohhalme zusammengeklebt, Dosen rollen lassen oder die Zeit vom Wasserkocher gestoppt. Sehr zur Belustigung meiner Mitbewohner, doch ohne großen Lerneffekt für mich. Höchstens wie ich möglichst schnell bastle und auch noch fix das Praktikumsheft zusammen bekomme. Und in Bio haben wir dann mikroskopiert, am PC. Also eigentlich schlechte, verwaschene Abbildungen angeguckt, wo das Internet eigentlich besseres bieten kann.
Gelernt hab ich da gefühlt nicht viel, also nichts fachliches. Nur die “Anwesenheit Aber das waren die Fächer mit Anwesenheit und wöchentlichen Abgaben. Hat mir ziemlich viel Zeit und Nerven gekostet, aber nicht machen war eben auch keine Option.
Und nach viel zu kurzer Zeit im neu gefunden Alltag, wurde die erste Prüfungsphase eingeläutet. Das wars dann erstmal mit dem schönen Studentenleben, Tag und Nacht lernen und Bücher wälzen, gespickt mit kleineren Nervenzusammenbrüchen und Überforderung, stand auf dem Plan.
Zuerst Physik, das erste Mal an die Uni. Aber nur in eine Art „Partyzelt“, aufgestellt um den Mindestabstand einzuhalten.
Nummer zwei und drei kamen zu mir nach Hause, an den heimischen Schreibtisch. Ganz komisches Gefühl eine richtige Klausur am eigenen Schreibtisch zu bearbeiten, aber in PsychSoz und Terminologie gut umgesetzt. Punkt fürs Onlinesemester.
Biologie war dann wieder an der Uni. Sogar im Computerraum, richtig in der Uni, für einen Moment. Um den Mindestabstand einzuhalten, gab’s verschiedene Termine, also alles durchdacht.
Danach dann direkt Praktikum Nummer 3, Chemie. Letzte Hoffnung mal ein Labor dieses Semester zu Gesicht zu bekommen, auch hinüber. Wieder vorm Laptop. Aber dieses Mal ein Schritt weiter, die Bibliotheken haben geöffnet. Chemie Vorbereitung ganz akkurat wie ein richtiger Student absolviert. Aber leider kann es für das Onlinepraktikum nur Minuspunkte geben. Ich hab mich selten so hilflos und überfordert beim Lernen und Erarbeiten gefühlt. Ich hatte nicht das Gefühl, einen direkten Ansprechpartner zu haben oder dass auf Fragen wirklich eingegangen wird. Die zwei Wochen vergingen wie im Flug und zogen sich gleichzeitig unendlich, aber dann ging’s für die letzte Klausur doch nochmal in einen Hörsaal. Einmal im Semester muss man das dann doch machen.
Und auch wenn dieses Semester ein komplettes Chaos war, hab ich es doch überstanden und Wiederholungsbedarf besteht nicht. Im Nachhinein weiß ich jetzt auch welche Sachen höhere Priorität haben und welche demnächst weniger Beachtung zu kommt.
Aber auf noch so ein Semester würde ich lieber verzichten, auch wenn es für das kommende ja eher schlecht aussieht, hab ich weiterhin noch ein wenig Hoffnung…