Neu eingelebt in Essen, dass war mein Gefühl Anfang des Jahres 2020. Es lief so vor sich hin, ich war ziemlich zufrieden mit dem was war und wie es so für dieses Jahr aussah.
Wir haben August, ich bin schon lange nicht mehr in Essen oder in meinem geliebten Job in der Anästhesie. Obwohl „lang“ ist relativ, ich kann gar nicht mehr sagen, ob die Zeit eher verflog oder sich zog. Sicher ist nur, es ist nichts wie es sollte.
Gerade liege ich im Camper an der französischen Küste mit einer Freundin, die ich vor 5 Monaten weder kannte, noch im Begriff war neue Freunde zu finden. Wie gesagt ich war zufrieden wie es lief, voll und ganz. Und jetzt kann ich mir gar nicht vorstellen wie ich die letzten Monate ohne Sie überlebt hätte. Klingt dramatisch, ist es auch ein bisschen.
Natürlich hat auch mir Corona in die Karten gespielt. Es ist sowas Großes, nicht beeinflusst worden zu sein, wäre utopisch.
Aber vor der Pandemie, bevor wir das Ausmaß überhaupt erahnen sollten, kam im Februar der Bescheid der für mich sowieso alles verändern sollte. Also ja, mir war auch schon vor dem Lockdown und alldem klar, dieses Jahr wird nicht wie gedacht.
Ich glaube als Gesundheits- und Krankenpflegerin hätte sich mein Leben gar nicht so sehr durch das ganze Corona-Chaos verändert. Homeoffice ist kein Thema und auch vorher habe ich die meiste Zeit des Tages im Krankenhaus verbracht. Aber wer weiß das schon, wie es wäre.
(Ich betrachte die Zeit jetzt schon als „vor, während, nach Corona“. Und irgendwie komm es mir komisch vor…)
Also der Bescheid: Komplett unerwartet, auch ein wenig unpassend, sollte es jetzt ins langersehnte Medizinstudium gehen. Ja, nein, also klar die Chance lass ich mir nicht entgehen. Alles was ich mir erträumt habe, ganz hochgestochen mein Lebenstraum. Also klar ich gehe, wo auch immer ich hin kann, sind ja nur 300 Kilometer, ist fast nichts. Und doch sind es 300km weit weg von allem, ich war doch gerade erst angekommen. Wirklich zufrieden für den Moment, und den hätte ich gern noch etwas ausgekostet, direkt neben meinen Liebsten.
„Oh du wirst so viele neue, tolle Leute kennenlernen.“ – so oder so ähnlich hab ich etliche Male gehört und nach dem ersten großen Schock kam dann die Vorfreude auf Erstiwoche, Studilife und verdammt nochmal das Medizinstudium!
BÄM!! Corona.
Alles eine schöne Vorstellung. Stattdessen gab’s eine spontane Umzugsaktion, um dem Kontaktverbot zuvorzukommen, eine leere WG, ein verschobener Studienstart und Probleme mit dem neuen Job.
Von komplett angekommen, zu voll verloren in unter zwei Monaten. Gar nicht so unüblich als Frischling an der Uni, aber diese verrückte Situation hat uns das sicher nicht einfacher gemacht.
Alleine in einer fremden Stadt, weit weg von allem Bekannten, und dann die Chance genommen zu bekommen, Jemanden oder Etwas kennenzulernen ist nochmal eine andere Hausnummer. Social Distancing auf einem ganz anderem Level. Dazu noch offiziell auferlegte Quarantäne, nach Kontakt auf der Arbeit.
Gleichzeitig beginnt die Uni. Endlich erste Aufgaben, sowas wie Skripte an der Uni kaufen oder Materialien fürs Physikpraktikum besorgen. Ich dachte besser kann es nicht laufen.
Zum Glück gibt’s tolle Menschen die mit Carepaket, Termiskript und Praktikumsunterlagen vor der Tür stehen. Meine Lieblingskommilitonin, die ich jetzt auch nicht mehr hergebe.
Fortan, eine kleine Dreiergruppe, zusammengebracht durch ähnliche Probleme. Einsamkeit, Überforderung, kein Plan von Unikram, Stress. Zusammengehalten durch gemeinsames Leiden, nicht nur während der Prüfungsphase. Ich hab ja noch nicht die große Unierfahrung, aber ich würde darauf schwören, dass man das ganze nur mit den richtigen Kommilitonen überlebt. Ich glaube das ist so konzipiert, alleine würde man einfach untergehen.
Mittlerweile habe ich das erste Semester geschafft. der Weg war ganz schön holprig und es gab viele, sehr viele Tiefs. Aber jetzt gerade würde ich nichts ändern wollen, es ist gut so wie es ist. Ich bin angekommen, zumindest ein bisschen.
Auch wenn ich gerade die einzelnen Tage zähle bis ich meine Liebsten in der Heimat wieder in die Arme schließen kann. Ohne die ich nicht mal den ersten Tag geschafft hätte.